Erschienen am 13.03.2018 bei „Metropolnews“
Karlsruhe- Am vergangenen Wochenende, 3. und 4. März 2018, trafen sich 120 Kinder und Jugendliche aus Karlsruhe und Schwetzingen zum ersten Karlsruher Capoeira-Kinderfest, Veranstalter war der badischer Turnerbund, organisiert wurde das Fest von den beiden Vereinen Capoeira Karlsruhe e.V. und Capoeira Schwetzingen e.V. Kombiniert wurde das sportliche Ereignis mit altersgerechten Workshops zum Thema Meeresverschmutzung durch Plastikmüll.
Vor einem großen Publikum führten die Kinder eine moderne Interpretation des traditionellen brasilianischen Fischertanzes „Puxada de Rede“ auf, der sich mit der Verschmutzung der Meere auseinandersetzte. Statt eines reichen Fischfangs zogen die kleinen Fischer Plastikflaschen, Konservendosen und Verpackungsmüll aus dem Bühnenmeer. Die Meerestiere, darunter Kraken, Quallen, Fische und Schildkröten, Statisten dieser Aufführung, wurden zuvor von den Kindern aus Plastikmüll und Eierkartons gebastelt. Beim Umwelt-Quiz verblüfften die Kinder mit ihrem Fachwissen wie der Kenntnis der Plastikinseln, welche durch Meeresströmungen entstehen und teilweise schon die halbe Größe Europas erreicht haben.
Höhepunkt war die Batizado-Feier, bei der neue Kinder in die Gruppe aufgenommen wurden und ihre Capoeira-Spitznamen erhielten. Wie bei jeder überregionalen Capoeiraveranstaltung werden auch bei der Kinderbatizado hochrangige Capoeiratrainer eingeladen, welche die sportliche Leitung übernehmen, diesmal Professor Pretão aus München und Instrutor Fala Manso aus Traunstein. Das Besondere bei Capoeira im Vergleich zu anderen Kampfsportarten ist, dass die Schüler keine Prüfung zum Erlangen einer höheren Graduierung ablegen müssen. Für Kinder gibt es ein besonderes Graduierungssystem, bei dem nur das Alter entscheidend ist für die Kordelvergabe. Jedes Kind, das eine Kordel erhalten und damit eine höhere Graduierung erlangt hat, spielt anschließend Capoeira mit einem Capoeira-Lehrer, umringt von anderen Capoeristas, die zu Musik singen und klatschen. „Mit dieser spielerischen Art des Aufstiegs wird den Kindern die Nervosität genommen. Spaß und Freude stehen im Vordergrund“ so David „Rafa“ Blattner, seit fünf Jahren Kinder- und Jugendtrainer und als Jugendwart und Vorstandsmitglied bei Capoeira Karlsruhe e.V. ehrenamtlich aktiv.
Christopher Schäfer ist Kindertrainer bei Capoeira-Schwetzingen e.V. und wurde Vierter bei der Deutschen Capoeira-Meisterschaft im Herbst 2017. Der Schüler mit dem Capoeira-Spitznamen Peter Pan war begeistert von dem reibungslosen Ablauf des Events und dem Einsatz der Kinder: „Ich bin vor allem stolz auf meine Capoeira-Schüler, die alles so souverän gemeistert haben. Ich freue mich natürlich auch für alle anderen, die eine neue Kordel erhalten haben.“
Das weitere Veranstaltungsprogramm bot einen Wechsel aus Capoeira-Trainings und Umweltschutz-Workshops. Die kleineren Kinder bastelten mit großer Motivation Meerestiere aus „Abfall“ wie Plastikflaschen und Joghurtbechern und hauchten diesen alten Dingen neues Leben ein. Das sogenannte „Upcycling“ steht ganz im Sinne der Nachhaltigkeit und vermittelt den Kindern den Wert von Dingen quasi als Nebeneffekt, während sie sich kreativ und fantasievoll beschäftigen. Die dabei entstandenen Meerestiere haben in der Aufführung des Fischertanzes eine Rolle gespielt, so dass die Arbeiten der Kinder ihre Wertschätzung erfuhren.
Das Angebot des Karlsruher Studentenvereins Engineers Without Borders – KIT e.V. nutzten an beiden Tagen jeweils 50 Kinder und Jugendliche. Sie lernten Schicksale von Menschen aus verschiedenen Ländern und deren Wasserprobleme kennen, um sich dann gemeinsam zu überlegen, was das mit ihnen zu tun hat und wo geholfen werden kann. Woher stammt der Plastikmüll in unseren Ozeanen und wie gelangt er ins Meer? Wie lange verweilt der Müll in den Ozeanen, bis er abgebaut ist? Warum ist Plastik so schädlich für Meerestiere und was ist eigentlich Mikroplastik? Diesen und weiteren Fragen wurde gemeinsam nachgegangen und das Thema spielerisch erforscht. In kleinen Experimenten hatten die Kinder Gelegenheit, Filter zu basteln, mit denen grobe Verunreinigungen aus Trinkwasser beseitigt werden konnten. Die Kindersetzten sich auch damit auseinander, was mit unsichtbarer Verschmutzung, wie zum Beispiel Bakterien oder Salzen geschieht.
Capoeira, das 2014 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurde, wird aktuell in circa 170 Ländern erlernt und gilt als weltweit wichtigster Verbreiter der brasilianischen Sprache und Kultur. Capoeira schult Flexibilität, Kraft und Ausdauer und verbessert damit Körpergefühl und Gesundheit. Durch die Einbindung von Musik, Gesang und Tanz entwickeln sich außerdem Musikalität und Rhythmusgefühl.
Capoeira Karlsruhe e.V. bietet Capoeira-Unterricht für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Karlsruhe an und unterstützt die gemeinnützige brasilianische Organisation „Bem faz Bem“, ein Projekt zur Förderung und Ausbildung sozial benachteiligter Kinder in Campos dos Goytacazes im Norden des Bundesstaates Rio de Janeiro. Im Rahmen öffentlich geförderter Projekte werden spezielle Unterrichtseinheiten für minderjährige Geflüchtete und für Suchtkranke durchgeführt. Darüber hinaus tritt Capoeira Karlsruhe als (Mit)Organisator kultureller und politischer Veranstaltungen wie des Brazilian-day in Karlsruhe auf.
Weitere Informationen finden Sie unter www.capoeira-karlsruhe.de
Text: Dr. Andrea Nestl