Da schmilzt der schweizer Schnee – Karlsruhe bei Capoeira-Europameisterschaft

Am Osterwochenende fand die Europa-Meisterschaft in Sion in der Schweiz statt und Karlsruhe war wieder ganz vorne mit dabei. Lila Sax dos Santos Gomes („Professora Lilás“), Mitgründerin des Vereins Capoeira Karlsruhe e. V. und langjährige Trainerin im Schwetzinger Partnerverein, holte in der höchsten Kategorie der Frauen Gold in die Fächerstadt. Die Trainer des Vereins Capoeira Karlsruhe e. V. Luiz Carlos dos Santos Gomes („Instrutor Cao“) und Cristiano Rozendo dos Santos („Instrutor Café“) konnten ebenfalls überzeugen und erreichten in ihrer Kategorie den zweiten und vierten Platz.

Lila Sax dos Santos Gomes (links) gewinnt Gold in der höchsten Kategorie der Frauen bei der Europa-Meisterschaft in Abadá-Capoeira (Foto: Alfred Xhelilaj)

Luiz Carlos dos Santos Gomes (2. v.l.) und Cristiano Rozendo dos Santos (rechts) erreichen den 2. und 4. Platz in der Kategorie „Euro-Brasileiro“ (Foto: Alfred Xhelilaj)

Als die Europa-Meisterschaften begonnen, lag Schnee auf den Bergen rund um die Kleinstadt Sitten (franz. Sion) im schweizerischen Kanton Wallis. Ein ungewöhnlicher Schauplatz für die afrobrasilianische Kampfkunst Capoeira, die sich durch akrobatische, kämpferische und tänzerische Bewegungen zu schnellen Trommelrhythmen und südamerikanischen Gesängen auszeichnet. Ausgerichtet wurde das sprudelnde Event von Abadá-Capoeira Suisse unter der Leitung von Ezequiel Alves dos Reis („Mestrando Goma“). Rund 200 Teilnehmende aus ganz Europa, aber auch den USA und Brasilien, kamen zusammen, um neben den Wettkämpfen auch an gemeinsamen Musik-Workshops und Trainingseinheiten mitzuwirken. Seit der Corona-Pandemie war das Event das erste gemeinsame Treffen für viele hochrangige Capoeiristas über die eigenen Landesgrenzen hinaus – so auch für den Capoeira-Meister und Vorsitzenden des Weltverbandes Abadá-Capoeira José Tadeu Carneiro Cardoso („Mestre Camisa“), unter dessen Schirmherrschaft das Event stattfand.

Im Unterschied zu reinen Kampfsportarten wie Karate oder Kickboxen treten im Capoeira-Wettkampf die beiden Personen nicht gegeneinander an, sondern spielen miteinander in einem Spiel, welches einem Dialog ähnelt. Es geht darum, anzugreifen, anzutäuschen und auszuweichen. Dieser Gedanke findet sich auch im Punktesystem einer Capoeira-Meisterschaft wieder: Pro Spiel gibt es eine Maximalpunktzahl, die beide Spieler erreichen können. Jede einzelne Person hat also ein Interesse daran, dass das Spiel in seiner Gesamtheit gut bewertet wird.

Nun sechs Mal Gold bei den Europa-, sechs Mal Gold bei den Deutschen Meisterschaften, Weltmeisterin 2009 – Lila Sax dos Santos Gomes („Professora Lilás“) trainiert seit über 20 Jahren Capoeira und kann auf eine außergewöhnliche Wettkampferfolgs-Geschichte zurückblicken. Die Gründerin und langjährige Vorsitzende des Vereins Capoeira Karlsruhe e. V. reiste dieses Mal aber aus ganz anderen Gründen an. „Eigentlich wollte ich in diesem Jahr einfach nur Freunde und Freundinnen wiedersehen, die Stimmung auf dem Event genießen und viel Capoeira trainieren. Unser Sohn Alex ist 2021 mit einem bösartigen und schnellwachsenden Hirntumor diagnostiziert worden und 2022 gestorben. Die Pflege und die Trauer haben die letzten Jahre alles andere überschattet. Die Intensität, mit der ich früher Leistungssport betrieben habe, konnte ich in letzter Zeit einfach nicht mehr aufbringen. Daher wollte ich auf die Wettkampfteilnahme verzichten“, gibt Sax dos Santos Gomes zu. Aber dann kam alles anders. „Capoeira ist so viel mehr als Wettkampf, sie ist Freude, Energie und Kraft. So haben diejenigen, die im Wettkampf eigentlich meine Gegnerinnen sein sollten, mir Mut gemacht und Kraft gegeben, selbst anzutreten.“ Das tat sie, und zwar sehr erfolgreich. In der höchsten Kategorie der Frauen gewann Sax dos Santos Gomes den ersten Platz. „Ich habe alles gegeben und bin überwältigt. Danke an euren Glauben in mich.“

Angereist war Sax dos Santos Gomes mit ihrem Ehemann, Luiz Carlos dos Santos Gomes („Instrutor Cao“). Der Sportwissenschaftler ist Haupt-Trainer des Karlsruher Vereins und trat gemeinsam mit dem Co-Trainer Cristiano Rozendo dos Santos („Instrutor Café“) in der Kategorie der in Europa lebenden und aus Brasilien stammenden Männer an (Categoria „Euro-Brasileiros“). Nach seinem großartigen Sieg bei den Offenen Meisterschaften im vergangenen Jahr in Stuttgart konnte er erneut überzeugen und sich gegen zahlreiche Mitstreiter durchsetzen. Dos Santos Gomes ergatterte den zweiten Platz, Rozendo dos Santos den vierten. „Der Schmerz durch den Tod unseres Sohnes ist groß, konstant und unbeschreiblich. Obwohl er physisch nicht bei uns sein kann, ist Alex für mich und unsere Familie sehr präsent. Er und sein Bruder Leo sind für mich eine große Quelle der Inspiration und Motivation“, lächelt dos Santos Gomes. „In den letzten Monaten habe ich mich physisch und mental besonders stark auf den Wettkampf vorbereitet und mich weiterentwickelt. Es ist schön zu sehen, dass sich die Mühe ausgezahlt hat. Ich bin sehr stolz auf meine Leistung und möchte mich bei allen Leuten bedanken, die mich unterstützen und die dieses Event möglich gemacht haben. Ich bin überaus dankbar und stolz auf meine Schüler und Schülerinnen, die an der Meisterschaft teilgenommen haben. Ihr seid super!“

Der Karlsruher Capoeira-Verein ging zudem mit Carolin Paschmann („Simpatia“), Alexis Loucopoulos („Mangalô“), Alfred Xhelilaj („Graduado Calopsita“), Juan Real („Graduado Joãozinho“) ins Rennen. Einen herzlichen Glückwunsch an alle Teilnehmenden.

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Erschienen am 04.04.2024 bei Wochenblattreporter
Erschienen am 08.04.2024 bei Metropolnews