Lila und Carlos: „Auf die brasilianische Art: Nie aufgeben“

Erschienen am 27.11.2013 bei Spiegel Online

Von Ulrike Schuster

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Mit Kampfkunst in den Hochzeitsring: Das Schönste war für Lila, 30, und Carlos, 26, der Capoeira-Tanz in der Roda, der Kreis aus Capoeiristas und Musikern. Sie feierten eine brasilianische Hochzeit mit schamanischer Zeremonie – und sprangen über einen Besenstiel.

Carlos und Lilas Hochzeitorchester ist anders: Sie schnarren mit den Berimbaus, schlagen die Fasstrommeln und die Tamburine, singen ein brasilianisches Lied. Sie, das sind ihre Freunde und die Schüler aus der Capoeira-Gruppe. Das Brautpaar springt in die Ronda, die Kreismitte und beginnt sich schleichend zu umkreisen. Beide schwingen ihre Oberkörper nach links und rechts, kicken ein Bein nach vorne, schwingen das andere über den Kopf des Partners, schlagen ein Rad, sind ständig in Bewegung. „Capoeira spielt man, man tanzt es nicht“, sagt Lila. Und zwar egal wo – auch auf dem Kopfsteinpflaster der Heidelberger Altstadt.

Capoeira ist ihr Lebensmittelpunkt. Hier fand Lila Freunde, als sie mit 16 aus den USA nach Deutschland kam. Carlos finanziert damit sein Sportstudium. „Ich habe nie etwas anderes gemacht. Das kann ich.“ Kennengelernt hatten sie sich 2005 bei den Capoeira-Weltmeisterschaften in Brasilien. Sie trainierten zusammen, mehr aber nicht. 2010 zog Carlos nach Karlsruhe. Lila studierte in Heidelberg Ethnologie.

Beim Capoeira-Training trafen sie sich zufällig wieder, und Lila fällt Carlos auf. Er baggert sie an, sie lässt ihn abblitzen, er baggert weiter. „Auf die brasilianische Art: nie aufgeben“, sagt Carlos. Sie entgegnet ihm: „Ich bin zu alt für Spielchen – aber wenn du es ernst meinst, können wir es versuchen.“ Da war Lila 28, Carlos 24.

Vor der „Capoeira-Roda“ stehen die beiden im Garten von Lilas Eltern in Heidelberg. Erst traut sie der Pfarrer nach katholischem Ritus. Danach ruft Lilas Onkel, ein praktizierender Schamane aus den USA, die Ahnen an und bittet sie um ihren Segen. Das Paar muss über einen Besenstiel in die gemeinsame Zukunft springen und die Vergangenheit als „Einzelgänger“ wegkehren. Am Ende pflanzen Lila und Carlos einen Vogelbeerbaum. Er soll Lebensfreude bringen und dem Paar helfen, schwierige Situationen zu meistern.

Abends feiern alle 150 Gäste, natürlich in der Capoeira-Akademie. Lilas Kollegen tanzen YMCA als „Village People“, mit Samba und Forró, dem brasilianischen Salsa, geht es weiter bis in den Morgen. Die ersten Schritte zeigt ein Tanzlehrer, dann läuft es für alle wie von selbst. Zusammenziehen, schwanger werden, heiraten – 2013 ist ihr Jahr. Fehlt nur noch die Zweitwohnung in Brasilien, dabei sollen der Vogelbeerbaum und die Ahnen helfen.